Vorab: Normalerweise reichen Unternehmen, die für die Beschaffung mehr Geld ausgeben müssen, die höheren Kosten in der Lieferkette bis hin zu Endkunden weiter. Produkte und Leistungen werden also teurer. Das gilt auch in der Energieversorgung: Wird Gas am Weltmarkt teurer, steigen irgendwann die Preise für die Verbraucherinnen und Verbraucher – in der Wirtschaft und in privaten Haushalten.
Im Gasmarkt können die Preise allerdings zum Teil erst deutlich später weitergegeben werden, weil Lieferverträge über längere Zeiträume gelten. So lange diese Verträge gelten, dürfen höhere Beschaffungskosten nicht weitergereicht werden. Steigen die Beschaffungspreise in besonders kurzer Zeit, entsteht eine große Finanzlücke, die die Unternehmen mit Langfristverträgen nicht dauerhaft selbst ausgleichen können. Dies kann wiederum zum Zusammenbruch von Energieunternehmen und infolge der Energieversorgung führen.
Das Energiesicherungsgesetz sieht daher zwei Mechanismen vor, um kurzfristige Preissteigerungen infolge kaum kalkulierbarer Entwicklungen schneller weiterreichen zu können. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind sehr eng, denn eine solche Preisanpassung außer der Reihe darf nur im Krisenfall möglich sein.
Der erste Mechanismus für die Preisanpassung ist in § 24 EnSiG geregelt, der zweite, die saldierter Preisanpassungsmechanismus (Umlage), in § 26 EnSiG.
Die Bundesregierung will mit der jetzt ausgearbeiteten Rechtsverordnung den Mechanismus des § 26 EnSiG aktivieren und nicht den des § 24 EnSiG.
Der Unterschied der saldierten Umlage (§ 26 EnSiG) zur Preisanpassung nach § 24 EnSiG ist folgender: Nach § 24 EnSiG erfolgt die Preisweitergabe individuell zwischen den beteiligten Lieferanten und ihren jeweiligen Kunden, während nach der saldierten Preisanpassung gemäß § 26 die höheren Preise auf alle Gaslieferanten weitergewälzt werden, die diese dann an die Kunden weitergeben können.
Der Nachteil einer Preisanpassung nach § 24 ist: Dann wären Gaskunden sehr unterschiedlich von Preisschocks betroffen: Kunden von Gaslieferanten, die bisher viel Gas aus Russland bezogen hatten (und daher nun große Mengen Gas aus anderen Quellen zu hohen Preisen beschaffen müssen), würden mit untragbaren Preissteigerungen konfrontiert werden. Kunden von Gaslieferanten, die weniger oder gar kein Gas aus Russland eingekauft hatten, wären von geringeren Preiserhöhungen betroffen. Diese eher zufällige, ungleiche Verteilung der Kosten aus den verminderten Gaslieferungen aus Russland würde zu sozial und wirtschaftlich problematischen Schieflagen und Wettbewerbsverzerrungen in der Wirtschaft führen.
Bei der nun beschlossenen Umlage nach § 26 EnSiG erfolgt ein Ausgleich der höheren Gasbeschaffungspreise über Gaslieferanten, die diese Kosten an ihre Kunden weitergeben können. Die Umlage ist für alle Gas-Lieferanten (gerechnet in Cent pro Kilowattstunde) gleich hoch. Die § 26 EnSiG-Umlage erlaubt damit eine faire Verteilung der Lasten auf viele Schultern.
Werden die Gasimport-Unternehmen auch zur Verantwortung gezogen oder müssen nur die Kunden die Lasten tragen?
Die Importeure werden auch zur Verantwortung gezogen und müssen bis zum 1. Oktober 2022 die Verluste aus der Ersatzbeschaffung zu 100% selbst tragen. Das war der Bundesregierung besonders wichtig, weil auch das zu einer fairen Verteilung gehört.
Erst für ausgefallene Lieferungen ab dem 1.10.2022 können sie die Differenz aus dem Bezugspreis für die ausgefallenen Liefermengen und den Kosten der ersatzbeschafften Mengen bis zu 90 Prozent erstattet bekommen.
Wonach richtet sich die Höhe der befristeten Gas-Umlage?
Die Höhe der Umlage hängt von der Zahl und Höhe der geltend gemachten finanziellen Ausgleichsansprüche ab. Das Volumen der Umlage wird zudem stark von der Marktpreisentwicklung sowie von der zu ersetzenden Menge abhängen. Erste überschlägige Berechnungen zeigen, dass die Umlage eine Höhe von etwa 1,5 bis 5 ct pro Kilowattstunde für einen Bemessungszeitraum von einem Jahr haben könnte. Dabei ist insbesondere eine gewisse Unsicherheit mit Blick auf die Mehrkosten der Ersatzbeschaffung bzw. die Entwicklung der Marktpreise berücksichtigt, wobei sich Preisdifferenzen am oberen Rand vermutlich auch nur in wenigen Monaten realisieren werden.
Die Umlagehöhe hängt auch davon ab, wie sich die Ersatzkäufe zeitlich verteilen, über welchen Bemessungszeitraum die Umlage angesetzt wird, und wie stark die Einsparungen ausfallen, die durch die Umlagehöhe und weitere Maßnahmen bewirkt werden.