Blackout-Szenarien und die Versorgungssicherheit des Stromnetzes der EWR Netz GmbH

Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 ist die Gasversorgung in den Fokus gerückt. Viele Haushalte wollen im Winter statt mit Gas nun mit Strom heizen. Auch Einschränkungen bzw. Abschaltungen im Bereich der privaten Endkunden sind nicht auszuschließen, was zu einer erhöhten Nutzung elektrischer Heizgeräte führen würde. Dadurch ergibt sich eine hohe potentielle Zusatzbelastung für die Niederspannungsnetze mit der Konsequenz von drohenden Überlastungen.

Die Nachfrage nach elektrisch betriebenen Radiatoren und Heizlüftern steigt: 600.000 dieser sogenannten Direktheizungen wurden im ersten Halbjahr 2022 verkauft, schrieb der Tagesspiegel am 29. Juli 2022. Das entspreche einem Plus von 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dazu kommt eine Vielzahl von bereits vorhandenen Geräten. Es ist davon auszugehen, dass im Winter viele dieser Geräte zum Einsatz kommen. Da der Verkauf und der Anschluss solcher Geräte keinerlei Anmeldeprozessen unterliegt, ist der tatsächliche Einsatz und die Verteilung im Netz kaum abschätzbar und stellt eine technische Herausforderung für die Verteilnetze dar.

Was bedeutet Blackout?

Von einem Blackout spricht man, wenn die Stromversorgung großflächig ausfällt und zur Wiederversorgung koordinierte Teilnetzbildung und dezentraler Einsatz geeigneter Kraftwerke erforderlich werden.

Wie kann es zu einem Blackout kommen?

In Europa fließt Strom üblicherweise mit 50 Hertz durch die Leitungen. Schwankungen zwischen 49,8 und 50,2 Hertz sind normal. Aus dem Gleichgewicht gerät das Netz, wenn beispielsweise mehr Strom entzogen wird als ankommt. Dies führt zu einer Frequenzstörung. Bei kleineren Abweichungen greifen Sicherheitsmechanismen, die das Netz stabilisieren. Kommt es aber zu einer unerwartet massiven Schwankung, kann das zu einem Zusammenbruch führen: Der Strom fällt aus. Für den Ernstfall gibt es einen Notfall-Stufenplan des Verbands der Netzbetreiber. Bei einem Abfall der Frequenz auf 47,5 Hertz sieht dieser in letzter Konsequenz vor, dass alle stromerzeugenden Anlagen vom Netz getrennt werden. Dadurch werden unter anderem Schäden an den Kraftwerksanlagen vermieden.

Wie realistisch ist ein kompletter Blackout in dem Versorgungsgebiet der EWR Netz?

Wir haben eine Modellierung durchgeführt, um anhand repräsentativer Niederspannungsnetze die Auswirkungen einer schrittweisen Erhöhung der Durchdringung mit elektrischen Heizgeräten nachvollziehen zu können. Das Ergebnis hat gezeigt, dass der flächendeckende Einsatz von elektrischen Heizgeräten in Extremsituationen mit großer Wahrscheinlichkeit zu Überlastungen der Niederspannungsnetze (in einzelnen Straßenzügen und/oder Ortsteilen) führen kann. In geringem Maße kann dem in Einzelfällen durch das Schließen von Trennstellen entgegengewirkt werden.

Kann die EWR jetzt schon veröffentlichen, in welchen Straßenzügen oder Ortsteilen es eng werden kann und wo nicht?

Nein, das können wir leider nicht. Es hängt stark vom Verbrauchsverhalten aller Kundinnen und Kunden ab, wie intensiv das Niederspannungsnetz belastet wird und es dadurch zu Überlastungen kommen wird. Zudem handelt es sich beim Strom- und Gasnetz um sogenannte kritische Infrastruktur, die besonders geschützt werden muss.

Lohnt sich dauerhaftes Heizen mit Stromgeräten denn?

Strom wird in Kilowattstunden gemessen. Der Gaszähler misst in Kubikmeter. 1 Kubikmeter Gas entspricht dabei ungefähr 10 Kilowattstunden (kWh). Je nachdem, wann die jeweiligen Verträge abgeschlossen wurden, kostet eine Kilowattstunde Strom ca. 2-4-mal so viel, wie eine Kilowattstunde Gas. Dauerhaftes Heizen mit Strom anstatt Gas lohnt sich nicht.

Wie ist das Stromnetz geschützt und welchen Einfluss hat jeder Haushalt?

Das Stromnetz und seine einzelnen Anlagen (z. B. Leitungen und Transformatoren) werden vor einer Überlastung durch Sicherungen geschützt. Diese lösen aus, wenn eine Überlast eintritt, um Schaden an den Anlagen zu verhindern. Eine Überlastung von Anlagen und demzufolge ein örtlich begrenzter Stromausfall kann z. B. durch den vermehrten Einsatz von Heizlüftern und Radiatoren ausgelöst werden. Entscheidend ist, wie viele Geräte gleichzeitig betrieben werden. Bereits ein bis zwei Heizgeräte (jeweils ca. 2 kW) pro Haushalt können – in mehreren Haushalten gleichzeitig betrieben – das Netz überfordern.

Ist es zu einem Stromausfall gekommen, kann jeder den Netzbetreiber unterstützen:  Vor allem die energieintensiven Verbraucher (z. B. Radiatoren und Heizlüfter) vom Netz nehmen, d. h. Stecker aus der Steckdose ziehen. Um im Winter die Stromnetze nicht zu überlasten, empfehlen wir ganz klar, nicht mit Direktheizungen zu heizen.

Wie sieht die Zukunft des Stromnetzes aus?

Mittel- bis langfristig werden viele der Gas- und Ölheizungen durch Wärmepumpen oder andere Technologien ersetzt werden. Dies führt zu einer Steigerung des Strombedarfs zum Heizen. Im Gegensatz zu Radiatoren und Heizlüftern könnten Wärmepumpen als steuerbare Verbrauchseinrichtungen betrachtet und mit einem separaten Zähler und einer Steuerbox ausgestattet werden. Somit könnten Wärmepumpen künftig in kritischen Netzsituationen vom Netzbetreiber in der Leistungsaufnahme geregelt werden. Dies würde helfen, das Netz auch in Hochlastzeiten zu sichern.

Details zu steuerbaren Verbrauchseinrichtungen dazu werden voraussichtlich im Laufe des Jahres durch die Bundesnetzagentur festgelegt: z. B. welche Leistung mindestens jederzeit zur Verfügung steht und wie häufig bzw. wie lange darüber hinaus maximal eingegriffen werden darf.

Sandra Wimmer & Oliver Lellek
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